Gastgeber: Ottmar Ette (Akademiemitglied, Sprecher des Zentrum Preußen – Berlin, Direktor des Humboldt Center for Transdisciplinary Studies, Changsha, VR China)
Im Spiegel Preußens entfalten sich zentrale Linien von Krieg und Frieden: von Leibniz’ und Saint-Pierres Vision einer europäischen Friedensordnung über die kulturelle Bewältigung der französischen Besatzung im Berliner Nationaltheater und Schleiermachers Nachdenken über Krieg in Predigten und Vorlesungen bis hin zum Alltag am Hof während des Ersten Weltkriegs. Wie prägen (drohende) Kriege Gesellschaft, Denken und Kultur? Und welche Wege öffnet die Erinnerung an sie für neue Vorstellungen von Frieden?
Mit Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) und dem Abbé de Saint-Pierre (1658–1743) begegnen sich zwei politisch engagierte europäische Denker, deren Diskurs eine Ideenfundgrube darstellt: Ob es um die Machbarkeit übernationaler Rechts- und Verfassungsstrukturen, um die Bedeutung des historischen Mitteleuropa als Vorbild einer föderalen Koexistenzordnung oder um die Form einer institutionalisierten Friedenssicherung geht, manche dieser ihrer Zeit weit vorgreifenden Ideen finden sich heute in Gestalt der EU realisiert.
Ein Vortrag von Friedrich Beiderbeck (Akademienvorhaben „Leibniz Potsdam I“, BBAW).
Die französische Besatzung in den Jahren 1806 bis 1813 stellte einen schweren Eingriff in die Lebensverhältnisse der preußischen Bürger und Bürgerinnen sowie eine Bedrohung ihrer Existenzgrundlage dar. Auch das Berliner Nationaltheater als Institution sowie die Mitglieder seines Ensembles waren stark betroffen. August Wilhelm Iffland wurde aufgefordert, den Theaterbetrieb fortzusetzen und dafür zu sorgen, dass kein Schauspieler die Stadt verlasse. Die Bevölkerung sollte durch dauerhaften Spielbetrieb beruhigt und Normalität suggeriert werden. Hinzu kam, dass die Besatzer als neuer Teil des Publikums zu berücksichtigen waren. Der Vortrag will zeigen, wie das Theater durch Veränderung seines Erscheinungsbildes und seines Repertoires auf die Auswirkungen des Krieges reagierte und die durch ihn verursachte Krise bewältigte.
Ein Vortrag von Klaus Gerlach („August Wilhelm Ifflands dramaturgisches und administratives Archiv 1796 – 1814“, BBAW).
Als sich Preußen 1813 erhob, bereitete Friedrich Schleiermacher die Berliner auf der Kanzel auf einen kommenden Krieg vor, wirkte bei der Organisation des Landsturmes mit, verschickte die Familie ins vermeintlich sichere Schlesien und redigierte für einige Monate eine Zeitung. Im Herbst war Napoleon aus Deutschland vertrieben, aber Vorausahnungen und Reflexionen über Kriege prägten weiterhin sein Denken. Vorgestellt und kommentiert werden Passagen aus Briefen, Predigten und Vorlesungen.
Ein Vortrag von Simon Gerber, Holden Kelm und Dirk Schmid (Akademienvorhaben „Schleiermacher in Berlin 1808–1834“, BBAW).
Alltag am Berliner Hof während des Ersten Weltkriegs
Obwohl sich der Erste Weltkrieg vor allem an den Fronten in West und Ost manifestierte, blieb auch die heimische Bevölkerung davon nicht unberührt. Im Vortrag soll auf das Fallbeispiel des Hofes in Berlin und Potsdam eingegangen werden, der während des Krieges vor allem durch die Frauen der Dynastie geprägt wurde. Wie sah der Alltag 1914–1918 besonders bei Kronprinzessin Cecilie aus? Welche Privilegien erfuhr die Königsfamilie im Vergleich zu den übrigen Einwohnern der Stadt? Welche Distanzen bestanden zu den realen Problemen des „normalen“ Alltags ihrer kriegsgebeutelten Untertanen?
Ein Vortrag von Anja Bittner (Akademienvorhaben „Anpassungsstrategien der späten mitteleuropäischen Monarchie am preußischen Beispiel, 1786–1918“, BBAW).